Loveparade und Planetcom – der Nachlass von Ralf Regitz

Im Archiv der Jugendkulturen lagert seit 2012 der Nachlass des 2011 verstorbenen Ralf Regitz. Als einflussreicher Akteur war der 1964 geborene Regitz schon in den 1980er Jahren in der West-Berliner Szene aktiv, er war beispielsweise beim Fischbüro und dem ersten „Acid-House-Club“ der Stadt, dem 1988 eröffneten UFO, involviert. Später folgten die Clubs Planet (1991-1993) und E-Werk (1993-1997). Er wurde Geschäftsführer der Firma Planetcom, die nicht nur das E-Werk betrieb, sondern auch die Loveparade in Berlin bis 2003 organisierte.

Letztes Jahr haben wir schon die in dem Nachlass enthaltene Materialien zur Technokunstausstellung Chromapark (1994-1996 im E-Werk) aufgebarbeitet, nun folgen die Unterlagen zur Loveparade, zum E-Werk und weiteren Aktivitäten der Planetcom. Die enthaltenen Quellen dokumentieren eindrücklich, wie in Berlin aus der kleinen subkulturellen Technoszene der späten 1980er Jahre eine Massenbewegung wurde.

Das E-Werk war in den 1990er Jahren der größte Technoclub Berlins. In dem ehemaligen Abspannwerk aus den 1920er Jahren in Berlin-Mitte wurden schon zu Beginn der 1990er Jahre erste illegale Partys veranstaltet, bis dann daraus 1993 ein legaler Club wurde. Resident-DJs waren u.a. Westbam, Paul van Dyk, Clé oder Woody. Neben Partys fanden hier Konzerte, Modenschauen und Ausstellungen statt, auch eine Inszenierung der Oper Don Giovanni wurde hier aufgeführt und 1994 war hier die Aftershowparty der MTV Europe Music Awards. Der Club schloss 1997 aufgrund zunehmender finanzieller und rechtlicher Probleme. Heute befindet sich hier die Eventlocation e-werk.

Die Loveparade wuchs von einer kleinen Demonstration mit angeblich 150 Teilnehmer*innen im Jahr 1989 zu einer Massenveranstaltung, bei der dann 1999 1.5 Millionen Menschen dabei waren. Ursprünglich jedes Jahr als politische Demonstration angemeldet, wurde der Parade 2001 der Demonstrationsstatus aberkannt, was zu einer massiven finanziellen Belastung für ihre Organsiator*innen wurde, da sie nun die Kosten u.a. für die Sicherheit der Teilnehmenden, die Straßenreinigung und die Neubepflanzung der durch die Raver*innen zerstörten Bereiche des Tiergartens aufkommen mussten. Die Planetcom geriet dadurch zunehmend in Schwierigkeiten und 2003 fand die letzte von ihr veranstaltete Loveparade statt, danach übernahm die Fitnessstudiokette McFit die Marke. McFit veranstaltete 2006 nach zwei Jahren Pause noch einmal eine Parade in Berlin, bevor diese dann ab 2007 in verschiedenen Städten des Ruhrgebietes stattfand, zuletzt 2010 in Duisburg, wo es dann zur tragischen Massenpanik mit 21 Toten kam.

Der Nachlass von Regitz deckt nun die Zeit ab den späten 1980er Jahren – beispielsweise in Form von Unterlagen zum UFO – bis 2003 ab. Es sind u.a. die Anmeldungen von Loveparade-Wagen enthalten, die zeigen, dass sich im Laufe der Jahre immer mehr Akteuren von außerhalb der Technoszene und Clubkultur beteiligten, beispielsweise die Junge Union oder christliche Gruppen. Auch die Internationalisierung der Parade ist dokumentiert, so fanden lizensierte Loveparades u.a. in Wien, Tel Aviv, Kapstadt und Mexico City statt – Ziel war, dass weltweit Loveparades stattfinden sollten, am besten jeden Monat irgendwo auf der Welt eine. Und auch Material zu den Protesten gegen die Loveparade, die Ende der 1990er Jahre aufgrund der zunehmenden Belastung der Anwohner*innen des Tiergartens immer lauter wurden, ist enthalten.

Im Rahmen einer Förderung durch die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt werden die vorhandenen Akten nun erschlossen und archivgerecht umgepackt. Soweit es rechtlich insbesondere in Hinblick auf den Datenschutz möglich ist, werden sie danach für die wissenschaftlichem Forschung zugänglich und nutzbar sein.

Bei Fragen zum Projekt könnt ihr euch gerne an Daniel Schneider wenden: daniel.schneider@jugendkulturen.de

Mobile Version