SPUR – Auf der Suche nach ‚negativ-dekadenten‘ Jugendlichen im Archiv der Jugendkulturen

Projekt zur Erfassung sub- und popkultureller Beiträge aus der DDR in der Fanzine-Sammlung (Laufzeit: 01.11.2023 – 31.10.2024)

Das Archiv der Jugendkulturen (AdJ) in Berlin sammelt seit über 25 Jahren Materialien aus und über jugendliche Pop- und Subkulturen. Besonders umfangreich ist sein Fanzine-Bestand mit über 20.000 Einzelheften, die in den unterschiedlichsten Szenen weltweit von den 1950er Jahren bis heute veröffentlicht wurden.

Fanzines aus der DDR finden sich in dieser einzigartigen Sammlung jedoch kaum. Das liegt daran, dass in autoritären Regimen wie dem SED-Staat non-konforme Pop- und Subkulturen staatlicher Repression und Verfolgung ausgesetzt waren und szeneeigene Ausdrucksformen massiv unterdrückt und zensiert wurden. Bis zum Herbst 1989 war es für Mitglieder solcher Szenen kaum möglich, eigene Fanzines zu veröffentlichen.

Sie hatten lediglich die Chance, in Fanzines außerhalb der DDR eigene Artikel zu platzieren. Selten fanden Fanzines mit solchen Beiträgen wieder zurück in die DDR. In den allermeisten Fällen wurden sie von der Stasi abgefangen. Nichtsdestotrotz nutzten Mitglieder sog. ‚negativ-dekadenter‘ Szenen immer wieder Fanzines aus dem Westen als Sprachrohr – allen voran Punks aus der DDR, von denen zahlreiche Artikel in Fanzines aus der Sammlung des AdJ zu finden sind.

Bisher wurde nur ein Bruchteil solcher ‚Spuren‘ pop- und subkultureller Szenen aus der DDR in der archiveigenen Sammlung entdeckt. Das Projekt SPUR will hier Abhilfe schaffen. Dazu werden einzelne Fanzine-Bestände von den 1950er Jahren bis Mitte der 1990er Jahre aus den Bereichen Beat, Rock’n’Roll, Punk, Heavy Metal, Gothic/Dark Wave, (Indie-)Rock, Skinheads, Science-Fiction und Fußball einer systematischen Recherche unterzogen. Die aufgefundenen ‚Spuren‘ werden in einer Bibliografie zusammengestellt, als PDF/A-Dokumente digitalisiert und an einem digitalen Arbeitsplatz im AdJ für die Forschung zugänglich gemacht.

Das Projekt SPUR wurde in Kooperation mit der Arbeitsgruppe Popgeschichte des Leibniz-Zentrums für Zeitgeschichtliche Forschung Potsdam (ZZF) konzipiert. Während der Projektlaufzeit steht das ZZF für technische Belange und wissenschaftliche Einschätzungen beratend zur Seite. Außerdem richtet das ZZF im September 2024 einen Workshop mit wissenschaftlichen Expert:innen aus, in dem die Projektergebnisse präsentiert werden und die technischen sowie wissenschaftlichen Anforderungen an eine Quellenedition als mögliches Folgeprojekt gemeinsam erarbeitet werden. So werden die archivarische und wissenschaftliche Arbeit eng miteinander verzahnt.

Eine solche Sammlung historischen Quellenmaterials pop- und subkultureller Szenen ist bislang einzigartig und ermöglicht einen neuen Blick auf die verschiedenen Szenen im deutsch-deutschen Kontext. In Hinblick auf den Austausch der Subkulturen in DDR und BRD rückt so der bisher noch nicht ausreichend erforschte Bereich des Transfers von Ost nach West in den Mittelpunkt. Die Quellen wären zudem in der Lage die bisher deutlich stärker beforschte Perspektive der staatlichen Organe, allen voran der Staatssicherheit, wie sie in den Akten der BStU dokumentiert ist, maximal zu kontrastieren. Die Ergebnisse aus dem Projekt SPUR könnten damit auch neue Impulse für die historische Forschung über Jugend und Jugendkulturen in der DDR geben und bislang unbekannte Einblicke in die Lebenswelten Jugendlicher während der Zeit der SED-Diktatur bieten.

Zwischenergebnisse des Projekts SPUR werden in regelmäßigen Abständen auf den Social Media-Kanälen des AdJ unter dem Hashtag #SPUR_AdJ präsentiert:

Instagram: https://www.instagram.com/archiv_der_jugendkulturen
Facebook: https://www.facebook.com/archivjugendkulturen

Kontakt:

Archiv der Jugendkulturen e. V.
Fidicinstraße 3
10965 Berlin

Christian Schmidt
christian.schmidt@jugendkulturen.de

 

Fotos: Jens Niemeyer

 

Mobile Version